Ich erinnere mich an das erste Juliwochenende im Jahr 2010. Endlich hatte ich begriffen warum der „Höllentäler“ eigentlich Höllentäler heisst. Verschwitzt und schweisgebadet war ich aus einen völlig überhitzten Doppelstockwagen in Kirchzarten ausgestiegen. Zur evangelischen Kirche in Kirchzarten war es zum Glück nicht weit, der Nase lang sich Richtung Schauinsland durchgeschlängelt mal links, mal rechts und schon war man stand man vor einem eher etwas modern wirkenden Kirchenbau am südlichen Ortsrand von Kirchzarten. In einem Seitenraum aufgebaut 1 lange Tischreihe, eine junge sympathische Dame lächelte einen an und bat einen noch um ein kurzes Autogramm. Relativ unscheinbar eine Farbige mit extrem kurzen Haaren.
Außer ihr und Workshopteilnehmern keiner da gewesen. „Marco, mein Mann ist heute Morgen mit dem Auto in Kölln gestartet, er wird wohl noch im Stau stecken“ begann sie in etwa ihre Begrüßung. Das nächste was folge „hey, was ist das Problem – es scheint die Sonne, es ist ein toller Tag, wir fangen halt einfach mal so an“. Einstudiert wurde ein kleiner Kanon. Und wer jetzt meinte, er kriegt noch Noten dazu. Ein bisschen Text gab es. Hey, ihr Sopräner könnt das ja direkt super „komm schlag ein“. Die Melodie hatte sich schon verhältnismäßig gut eingeprägt. Auch Adrienne verfolgt den Weg, dass die Gospels lediglich per Textblatt einstudiert werden. Das ist auch die gängige Praxis in Lousianna, South Carolina und den amerikanischen Südstaaten, das die Gospels notenmäßig nicht niedergeschrieben werden.
Es folgten die Altstimmen, Tenor und die paar Bass-Stimmen. „Ruprecht, kannst Du vielleicht doch noch in den Tenor gehen und aushelfen“. Und die Dame hier, vielleicht wäre Tenorstimme auch noch günstig. Und schon war die Stimmstärke in etwa gegeben. „Aber Leute Liebe ist doch was gefühlvolles, die Liebe möchte da nicht angeröhrt werden“. Und schon machte sie ein Beispiel „Die Liebe möchte es gerne so haben“. Leise und etwas soulig begann sie den ersten Textteil vorzusingen. Und man fühlte sich überwältigt. Da hatte man ja wirklich den Eindruck, die Sache ist gefühlvoll und der Horizont ist zwar erkennbar, liegt aber auf Distanz.
Am Samstag wurde gleich die Kühle des Morgens ausgenutzt. Da sie recht schnell gemerkt hatte, dass vorallem bei den etwas anspruchsvolleren Gospeln die Melodie noch nicht so schnell in den Kopf eindrang hatte sie eine tolle Idee. Es ging an die frische Luft und jede Stimme bildete eine Kleingruppe für sich. Und sie war auch unter sich mit verhältnismäßig guten Abstand zu den anderen Gruppen. Man hatte am Freitagabend schon eine Ablaufänderung besprochen gehabt, am Samstag wirkte ein Deutschlandspiel rein und 2010 das Jahr der Fußball-WM in Afrika war, musste natürlich auf den Fußball rücksicht genommen werden.
Bereit am Samstagmittag gab es namentliche Deckung mit dem Titel „It was a great thing“ von F.C. Barnes, der an diesem Workshop einstudiert wurde.
Auch dieser Titel wurde einstudiert. Ich hatte ihn später bei einem Konzert in der Heilig-Kreuzkirche von Binningen gehört. Hier wurde er in einer mittleren Lautstärke kontinuiertlich gesungen.
„In einer Lautstärke – so möchte ich den Titel aber nicht haben“ fing Adrienne an. Ihr fangt bitte flüsterleise an. Ich möchte den so haben, dass der Zuhörer gerade noch so wahrnehmen kann, dass hier ein Ton gesungen wird und nicht blos der Mund aufgemacht wird. Beim Singen merkte man plötzlich wie sich ein Spannungsbogen aufbaute und der Titel plötzlich eine gewaltige Dramatik kam. Dass Adrienne sich fast alle 5 Minuten über irgendetwas totlachen konnte, hat nach einiger Zeit gar nicht mehr gestört sondern vielleicht eher auflockernd gewirkt.
Und immer wieder gab es Alltagtipps. Beispielsweise „Ich war vor 2 Jahren bei einem Gospelkonzert von einem Chor aus Bonn – hatten an sich schön gesungen, alle Notenmappen vor ihrer Nase, aber jetzt kam die Schwierigkeit, an einer Stelle sollte geklatscht werden. Also was tun. Notenmappe wurde kurzfristig genommen, unter den Arm geklemmt, geklatscht, sofort Notenmappe wieder rausgekramt und vor die Nase gehalten – Leute aber soetwas geht gar nicht“. Und weiter „wie will man sich denn da richtig bewegen können“. Die allerbeste Annekdote von ihr, die mir eigentlich nochmal so richtig Kraft für Auftritte gegeben hatte war allerdings die wo Adrienne einen Auftritt hatte und vor ihr der Bürgermeister mit toternster Mine saß und zu ihr allen ernstes äußerte „ja wieso, in Deutschland freut man sich so (mit absolut toternster Mine)“.
In Jahr 2011 findet dieser Workshop am letzten Septemberwochenende statt. Es ist also damit nicht mehr zu rechnen, dass man beim Abschlusskonzert in seiner Galagadrobe schwitzen muss sondern die Temperaturen allenfalls noch angenehm warm sind.
Kontakt: Ina Saumer gospel.ws.kirchzarten[at]googlemail.com oder Telefon: (07661) 98 23 15